Heute habe ich keine Lust, Reisetagebuch zu schreiben – ausnahmsweise nicht, weil ich so müde bin, sondern weil nicht viel passiert ist. Gefühlt waren wir heute nicht auf Reisen sondern zuhause. Also in meinem „Zuhause in Italien“ bei Freundin M.
Der Vollständigkeit halber schreibe ich natürlich trotzdem. Also, mal überlegen. Heute haben wir lange geschlafen und das hat wirklich sehr gut getan. Nach dem Frühstück haben wir im Dorf Proviant für das weitere Zugfahren gekauft: Paprika, Gurken, Mandarinen, Tomaten und so lustige kleine Gebäckstückchen, die wie Frolic (Trockenfutter für Hunde) aussehen, aber wie herzhafte Kekse schmecken.
Auf dem Dorfplatz trafen wir zwei Bekannte von M. Beim Plaudern stellte sich heraus, dass beide mittelalte Frauen auch in den letzten Monaten Interrailreisen gemacht haben. M. staunte – ich glaube, die Idee geht ihr nun nicht mehr aus dem Kopf. Sehr lustig fand ich es, als die eine Frau, eine Finnin, uns auf Finnisch eine gute Reise wünschte. Meine Reisebegleiterin lernt seit Monaten auf Duolingo Finnisch und auch ich habe es mal ein Jahr Einde der 80er Jahre in der Volkshochschule gelernt, bevor ich als Au-Pair in Finland war. Ich freue mich immer Finnisch zu hören, aber auf einem italienischen Dorfplatz war das doch eher überraschend. Ich staunte nicht schlecht, dass mein Gehirn das verarbeiten konnte und einigermaßen verstand.
Überhaupt habe ich das Gefühl, dass in meinem Gehirn ein neues Level freigeschaltet wurde. Man kann durchaus sagen, dass ich wahrlich kein Sprachgenie bin, obwohl ich einige Sprachen gelernt habe, kann ich eigentlich nur Englisch einigermaßen sprechen. Französisch, meine zweite Fremdsprache, hasste ich abgrundtief in der Schule und auch heute noch. Russisch habe ich zwar ungefähr 7 Jahre lang als dritte Fremdsprache in der Schule und auch noch später an der Uni gelernt, aber obwohl ich mehrmals in Russland war und das auch einmal drei Monate lang, verstehe ich es nur, bin aber mehr oder weniger sprachlos. Finnisch zu lernen, war eigentlich nur Quatsch und stellte sich auch als wenig sinnvoll heraus, obwohl ich auch mehrmals in Finnland war und dort zwei Monate arbeitete (die Au-Pair-Stelle war doof, deswegen verließ ich sie nach 8 Wochen, um einen Interrail-Trip durch Skandinavien zu machen, aber das ist eine andere Geschichte), weil Finninnen und Finnen immer Englisch mit mir sprechen wollten. Als ich vor 2 Jahren damit begann, italienisch zu lernen, hatte ich nicht viel Hoffnung, aber das Lernen mit der Duolingo-App machte Spaß und es war nett, bei den beiden letzten Italienauffenthalten, wenigstens ein paar Worte zu verstehen. Jetzt sind wir nun schon seit fast 2 Wochen in Italien und in unserer kleinen Reisegruppe bin ich diejenige, „die italienisch kann“ – also schlage ich mich durch und radebreche ohne besonders auf die Grammatik zu achten. Das Tolle ist: ich habe Freude daran. Während ich bei anderen Auslandsauffenthalten wirklich extrem sprachschüchtern war, macht es mir jetzt kaum etwas aus, Fehler zu machen. Das kann nur an den Wechseljahren liegen. Eine neue Lebensphase hat begonnen – wer hätte gedacht, dass sich das ausgerechnet bei meinem Sprachtalent bemerkbar machen würde.
Nach den Einkäufen gab es einen Kaffee in der Dorf-Bar, die ich schon von vorherigen Auffenthalten hier kenne und sehr mag. Es ist einfach nett hier. Sehr unspektakulär. Nicht pittoresk, nicht dorftrottelig, sondern einfach nett. Leider hatte die Gastgeberin wegen des noch nicht gelösten Newsletterproblems Hummeln im Hintern. Ich wollte ihr gerne bei der Lösung des Problems helfen, um mich auch für ihre Gastfreundschaft zu revanchieren. Also ging es schnell zurück an den Computer.
Es war gar nicht so leicht, das Problem zu verstehen, geschweige den zu lösen. Ich wünschte mir meinen Mann her, der solche Probleme (auch von denen er keine Ahnung) hat mit einer analytischen Vorgehensweise stets zu lösen weiß. Ich versuchte es ihm gleich zu tun, aber das war mit der ungeduldigen Gastgeberin nicht so leicht. Gerade, als der Gastgeber zum Mittagessen rief, hatte ich das Gefühl eine Idee für eine mögliche Lösung zu haben. Aber Pranzo primo.
Zum Mittagessen gab es Pasta a la Mare. Wie uns erklärt wurde war in der Pasta mit Fenchel keine Sardine oder nur wenige Sardinen, denn es geht bei diesem Gericht darum, dass die Sardinen eben im Meer sein sollen. Egal ob mit oder ohne. Es war lecker. Ich muss das noch mal in Ruhe nachschlagen.
Nach dem Mittagessen versuchten wir das Problem weiter zu lösen. Dazu hatten wir nicht den ganzen Nachmittag Zeit, weil die Gastgeberin noch einen Workshop zu geben hatte. Mir schwante schon, dass diese Idee einer Lösung, die wir umzusetzen versuchten, noch nicht die Lösung war, aber das half ja auch nicht. Immerhin gelang es Frau Naja in der Zwischenzeit die Reservierungen für den Zug morgen zu kaufen. Seltsamerweise ging das heute auch nicht im W-LAN, aber mit mobilen Daten war es möglich. Wir fanden dafür keine Erklärung, waren aber sehr erleichtert, zu wissen, dass wir den gewünschten Zug nach Bologna morgen nehmen können. Eine Übernachtungsmöglichkeit haben wir noch nicht reserviert. Frau Naja spekuliert noch auf Preisnachlässe. Ich versuche ruhig zu bleiben.
Während die Gastgeberin ihren Onlineworkshop gab, gingen wir auf ein Törtchen und einen Apertivo in die Dorfbaar. Samstags abends war das der place to be. Wir erfreuten uns erneut an der Gewohnheit in dieser Region, zum Spritz noch eine kleine gemischte Platte (Chips, eine Art Pizzastückchen und Erdnüsse) ohne Aufpreis zu servieren. Was uns weniger gefiel waren die Körperpflegeprodukte der jungen Männer am Nebentisch. Ich hoffe diese Mode dieses extrem seltsamen, aufdringlichen Geruchs, der mich seit ungefähr 2 Jahren irritiert, ekelt und dem ich immer öfter begegne, ist bald vorbei.
Beim Aperitivo besprachen wir die Weiterreise. Wir haben immer noch unterschiedliche Vorstellungen. Die Reisebegleiterin liebt das Zugfahren doch erheblich mehr als ich. Sie würde gerne einen größeren Schlenker machen – ich ziehe kürzere Teilstrecken vor, um am Übernachtungsort, noch ein bisschen was vom Ort zu sehen und ich bin hin und hergerissen, wie sehr es mich nach Hause zieht. Die Ruhetage jetzt waren gut, um wieder ein bisschen abenteuerlustiger und reiselustiger zu werden, aber mir fehlt schon irgendwie der konkrete Plan. Als wir darüber sprachen, bekam ich die Idee G. In Graz zu besuchen, die ich schon seit Ewigkeiten über das Bloggen kenne und auch schon mal auf einem Barcamp getroffen habe. Die Reisebegleiterin las auch immer gerne in ihrem Blog und war von meiner Idee über Graz zu fahren angetan. Wir haben G. geschrieben, erhielten aber bisher nur eine Abwesenheitsnotiz als Antwort. So ist das mit den spontanen Anfragen. Aber ich finde die Idee immer noch gut und würde mich freuen, G. Zu sehen.
Zum Abendessen gab es Artischocken, Pilze und nette Gespräche. Obwohl die Gastgeberin schon sehr müde war, unternahmen wir nach dem Cena einen weiteren Versuch, das Newsletterproblem zu lösen. ich hatte noch eine neue Idee und bin sehr sicher, dass dieser Weg funktioniert. Ich bin allerdings nicht sicher, ob die sehr müde Gastgeberin verstanden hat, wie sie ihn umsetzt. Aber mehr geht heute einfach nicht mehr.
Unsere Rucksäcke sind zum großen Teil gepackt. Frau Naja hat aus einer alten Gurkenpackung ein Gewächshaus für die gekauften Pflanzen und die gemopsten Ableger gebaut, wir haben Erinnerungen in den Kalender geschrieben für alles, was wir noch morgen machen müssen (Käse aus dem Kühlschrank holen, Wasserflaschen füllen, M. noch die Fotos übergeben) und auch an Duolingo haben wir gedacht. Jch fühle mich nun tatsächliche ausgeruht genug für die Weiterreise, bin aber immer noch skeptisch, was die Idee mit dem Schlenker über Bratislava und Ljubljana (wie schreibt man das?) betrifft.
Ihr könntet von Graz nach Bratislava und von da aus nach Brünn (Brno) weiterreisen. Das ist eine nette, mittelgroße Stadt, in der es eine bombastische Villa von Mies van der Rohe gibt (Weltkulturerbe, Besichtigung lohnt sich sehr) und das Kloster, wo Gregor Mendel die nach im benannten Mendelschen Gesetze entdeckte (an Wickenblüten, glaube ich). Ich habe da als Studentin mal einen Monat verbracht.
Das wären dann zwei relativ kurze Etappen und schon in Richtung Norden.
Ist das nicht ein großer Umweg. Ihr müsst dann ja Richtung Osten fahren?
Na, ich bin gespannt, wie ihr entscheidet.