Wir sind früh aufgestanden (für Urlaub und für meine Verhältnisse, denn es war 8 Uhr), um in Ruhe die letzten Reste zusammen zu packen, zu frühstücken und mit dem Bus den Bahnhof zu erreichen. Ich bin nicht sicher, ob es an der Uhrzeit lag oder an einem leichtem Wetterumschwung. Zunächst erschien es zu kalt, um auf der Dachterasse (ich hatte immer irrtümlich von Balkon gesprochen, aber es war tatsächlich eine Dachterasse) zu frühstücken, aber bis wir unser Müsli fertig hatten, war die Sonne rumgekommen und wir konnten den schönen Ort mit Blick aufs Meer ein letztes Mal nutzen.

Ich wollte noch ein paar Worte zum Wetter schreiben. Ich vermute, wir haben hier auf Sizilien ungefähr die gleichen Temperaturen wie in Hamburg gerade. Tagsüber sind es um die 17 oder 18 Grad. Allerdings wirkt es irgendwie anders. Vielleicht brutzelt die Sonne anders, als in Hamburg, jedenfalls fühlt es sich hier eher sommerlich an. Es ist auch normal, in Sandalen herum zu laufen, das käme mir in Hamburg noch komisch vor. Aber vielleicht liegt das weniger an den objektiven Temperaturen, als an der Jahreszeit. Wir haben Anfang April, da ist man noch die Wintersachen gewöhnt.

Als Reisezeit ist es jedoch, mit dem Wetter das wir aktuell hier haben (letzte Woche hatte es wohl durchgängig geregnet bzw. immer wieder Gewitter gegeben), ganz prima hier. Ich empfinde es nicht als ein Erholungsurlaub, wir sind immer wieder geschafft vom Rumlaufen mit oder ohne Gepäck. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das bei 30 Grad wäre! Es kann natürlich sein, dass es im Frühjahr noch wechselhafter ist und man sich immer mal auf Regen einstellen muss. Die Wettervorhersage hat diesen für übermorgen angekündigt, aber man muss ja auch nicht immer an die Vorhersagen glauben.

Obwohl es heute morgen noch nicht so warm war, waren wir doch heilfroh, nicht mit dem Gepäck zum Bahnhof zu laufen, sondern den Bus nehmen zu können. Wir hatten tatsächlich jede nur einen „Daypack“ zum großen Rucksack und eine ganz leichte zusätzliche kleine Tasche mit Proviant. Unser Plan war es, rechtzeitig am Busbahnhof zu sein, die Fahrkarten zu kaufen und dann in der Bar am Bahnhof ein zweites Frühstück einzunehmen.

Als wir auf die Bar zuliefen, sah es von Weitem so aus, als wäre sie geschlossen. Oh nein! Das erinnerte mich an meine erste Interrailreise im Jahr 1989. Ich hatte ein Buch gelesen, das „Freitag, 21 Uhr Berlevag“ hieß und daraufhin beschlossen, dass ich genau diese im Buch beschriebene Busfahrt von Narvik über den norwegischen Fjell bis zum Nordkap machen müsse. Der Rest der Reise durch Finnland, Norwegen und Schweden plante sich sozusagen drumherum. Eigentlich ging es genau um diesen einen Tag, diese eine Busfahrt – eigentlich genau wie bei unserer Reiseplanung jetzt, wo es um den „Nachtzug nach Sizilien“ ging und sich der Rest dazu ergeben hat. Auch wie bei unserer aktuellen Reise hatte ich damals einige Streckenabschnitte im Vorfeld gebucht. Ich hatte das Hotel am Nordkap reserviert und auch die zweitägige Fahrt mit den Hurtigrouten zu den Lofoten. Natürlich war nicht alles wie im Buch. Ich kam an einem Freitag Abend in Narvik an und nicht in Berlevag und wollte am nächsten Tag in den besagten Bus steigen. Mit gepacktem Rucksack an der Bushaltestelle angekommen, las ich auf der Anzeigetafel, dass der Bus „Daily except Saturdays“ fuhr und war aufgeschmissen. Weil ich die Weiterfahrt schon gebucht hatte, musste ich an diesem Tag nach Honningsvag kommen. Es blieb mir nichts anders übrig, als diese Strecke mit einem kleinen Flugzeug zu fliegen. Das war auch ganz nett, aber ich war trotzdem sehr enttäuscht. (Der Rest der Reise war toll, aber diese Bushaltestelle vergesse ich nie.)

Heute hingegen, hatten wir Glück. Die Bar am Bahnhof von Syrakus war geöffnet und es war tatsächlich eine sehr nette Bar mit gutem Kaffee und leckeren Kleinigkeiten zum Essen. Und einem Klo. Auf Reisen sind die Klos ja mindestens genauso wichtig, wie genügend Wasser dabei zu haben.

Als wir zum Bus gingen, stand da schon eine Gruppe von Menschen. Das waren die deutschen Touristen, die Italiener*innen kamen erst später, so dass der Bus auch erst mit 10 Minuten Verspätung losfuhr. In der Nähe der Tür zum Einsteigen, stand ein Mann mit übel riechenden Körperpflegeprodukten in übertriebener Intensität, der keinen Schritt beiseite machen konnte, um uns mit unserem Gepäck durchzulassen. Es war klar, er wollte ganz vorne sitzen. Obwohl Frau Naja gesagt hatte, dass sie tendenziell in Bussen auch am liebsten vorne sitzt, war mir klar, dass ich den maximalen Abstand zu dem Stinker brauchte. Wir fanden dann den Platz vor dem Klo (zugeschraubt, unbenutzbar), der netterweise auch noch mehr Beinfreiheit hatte, als die anderen Plätze.

Die Fahrt war schön. Ich habe mich wirklich sehr gefreut, das Landesinnere von Sizilien zu sehen. Wir sahen wieder Grün in allen Schattierungen. In Küstennähe viele Kakteen, im Landesinnere erstaunlich viel Farn. Weil ich im Reisebericht meiner Mutter die Reiseführerformulierung „Sizilien ist die Kornkammer Italiens“ gelesen hatte, dir mir irgendwie nicht aus dem Kopf wollte, suchte ich überall die Felder. Ein paar Felder haben wir gesehen, auch ein paar Kühe, ein paar Windräder aber erstaunlich wenige Solarpanele.

Was wir allerdings nicht gesehen haben, ist der Ätna. Unglaublich viele Menschen haben uns im Vorfeld unserer Reise erzählt, dass man den Ätna von überall aus sehen kann. Das können wir nicht bestätigen und halten mittlerweile die Existenz dieser Touristenattraktion für Fake. Es könnte natürlich sein, dass wir den Berg nicht gesehen haben, weil er nicht mit lodernden Flammen, Rauch, fließender Lava und richtig Action wie ein Bilderbuchvulkan aussah. Vermutlich war aber der über 3000 m hohe Berg auch einfach in den Wolken. Wir haben auf jeden Fall vom Bus aus sehr viele Bilder gemacht, auf den der Ätna nicht zu sehen ist. Ich dachte an diesen unsäglichen Spruch des CDU-Gesundheitsministers „wir werden uns viel zu verzeihen haben“, der sich in meinem Gehirn zu der Aussage „wir werden viele schlechte Fotos zu löschen haben“ verwandelte. Auch nicht besser.

In Palermo angekommen, suchten wir die Bushaltestelle für den Stadtbus und kauften unsere Bustickets. Am Bahnhof schon viel aufdringlich zur Schau gestellte Männlichkeit. Das sollte im Laufe des Abends nicht anders werden. Wir hoffen, dass dieses Gehabe auf den Samstag-Abend zu schieben ist und sich ab morgen legt. Der Bus kam zwar nicht pünktlich, aber er kam und es gab genügend Sitzplätze, so dass wir uns nicht scheuten, unsere Rucksäcke auf je einem Platz abzustellen. Weit war die Strecke nicht, denn die Linie machte eine Art Kringel, aber auch hier waren wir froh, unsere Rucksäcke nicht durch unbekanntes Terrain schleppen zu müssen.

Als wir aus dem Bus ausstiegen und wieder einmal an der digitalen Landkarte verzweifelten, bei der eben nicht immer oben Norden ist und uns fragten, in welche Richtung wir nun laufen müssten, fiel uns schon auf wie schmutzig die Stadt ist. Es wurde nicht besser, je weiter wir liefen. Überall Müll auf dem Gehweg, viel Hundekacke. Es war irgendwie unangenehm und die heile Touristenwelt, die wir in Syrakus verlassen hatten, schien auf einmal noch attraktiver in der Erinnerung. Als wir durch die hässliche Gegend liefen, hatte ich ein schlechtes Gewissen, auf Palermo bestanden zu haben. Ich hatte eine tolle Serie auf ARTE gesehen „Die Mafia tötet nur im Sommer“ (La Mafia uccide solo in Estate“) und mich in Palermo verliebt. Es ist halt nicht immer alles echt im Fernsehen.

Aber was sollten wir machen. Wir liefen weiter und suchten unsere Ferienwohnung. Während der Busfahrt hatte ich endlich die ersehnte Nachricht der Vermieter*innen bekommen, in der der Schlüssel-Code stand. Also blieb uns gar nichts anderes übrig, als dorthin zu laufen. Wir bogen in eine kleine Gasse ab. Sehr italienisch. Eine enge Gasse, sehr marode und überall hing Wäsche zum trocknen. Das einzig hübsche war die Tatsache, dass aus einer Wohnung laute Musik kam und eine Frau enthusiastisch mitsang. Wir gingen weiter und siehe da, am Ende der Straße standen 4 relativ hübsche Häuser und in einem davon, ist unsere Ferienwohnung.

Die Wohnung ist etwas ungewöhnlich, das zweite Zimmer ist mit einer sehr wackeligen Wendeltreppe zu erreichen und eine Art offener Dachboden zum Wohnzimmer/Küche. Da ich in Syrakus das Kinderzimmer mit den marode-quietschenden Einzelbetten hatte und meine Reisebegleiterin das elterliche Doppelbett, durfte ich dieses Mal das schönere Zimmer haben. Was soll ich sagen: es ist sehr schön! Beglückt legte ich mich in das große Bett, lauschte der singenden Dame und bin prompt eingeschlafen.

Nach diesem Päuschen beschlossen wir die Gegend zu erkunden, aber zunächst etwas einzukaufen. Schon wenige Straßen weiter war ein kleiner Supermarkt, direkt gegenüber eines schönen Platzes mit einem kleinen Markt, der gerade abgebaut wurde, einer Art Kiosk und Sitzplätzen drumherum, an denen Menschen saßen, die Aperol Spritz für 3 € tranken. Das müssen wir bei nächster Gelegenheit auch tun.

Auf dem kurze Weg zum Supermarkt sah ich schon viele Murals (großformatige, graffitiartige Wandmalerei) von denen ich im Vorfeld schon gelesen hatte, dass es ein Stadtteil in Palermo geben sollte, in dem besonders viele davon zu finden seien. Sollten wir durch Zufall genau in jenem Stadtteil gelandet sein? Wir werden es herausfinden.

Unser Spaziergang führte an einer netten Bäckerei vorbei zur Kathedrale und der Touristenfußgängerzone, die wir ein Stück bergauf bis zu einem netten Park gingen und dann, als der Hunger deutlicher wurde, bergab, um uns nicht allzuweit von unserer Ferienwohnung zu entfernen. Erstaunlicherweise gab es in den Nebenstraßen der touristischen Hauptverkehrsstraße nichts. Ich erinnerte mich, dass ich ganz in der Nähe unseres Hauses eine Pizzeria gesehen hatte. Wieso eigentlich nicht, in Italien mal eine Pizza essen? Es war ein Take-Away, aber die Pizzen sahen gut aus. Also nahmen wir uns zwei Pizzen mit „nach Hause“ und speisten, bevor wie die Waschmaschine anwarfen. Als wir nach Ferienwohnungen in Palermo recherchierten und letztlich 3 Wohnungen in der engeren Auswahl hatten, entschieden wir uns für diejenige mit der Waschmaschine. Es ist gerade nicht so arg gemütlich beim Schreiben neben der Waschmaschine, aber dafür haben wir dann frische Unterhosen und Shirts und morgen gehts dann weiter.