Wir waren auf der Autobahn Richtung Bremen, als ich damals diese Nachricht bekam. Ein befreundeter Ökonom, ein alter Studienfreund, raunte per Textnachricht, dass es sein könnte, dass über Nacht der Euro abgeschafft oder an extrem an Wert verlieren könne. Wir sollen investieren, was geht, um dem Wertverfall der Währung vorausschauend zu begegnen.

Was sollten wir nun tun? Was macht man mit so einer Nachricht? Mangels konkretem Plan was in so einer Situation eine angemessene Reaktion sein könnte, nahmen wir die nächste Ausfahrt zu einem Einkaufszentrum. Dort irrten wir durch die verschiedenen Abteilungen, auf der Suche nach irgendetwas in das wir unsere Euros, die angeblich am nächsten Tag schon nichts mehr wert wären, investieren könnten. Ob es an der verstörenden Nachricht lag oder an meinem grundsätzlichen Gefühl, dass in unserer kleinen Wohnung eigentlich viel zu viel Kram herumliegt, weiß ich nicht. Jedenfalls fiel es uns schwer, Kaufentscheidungen zu treffen, denn eigentlich brauchten wir nichts.

Schließlich konnten wir uns auf Bettwäsche einigen. Ich hatte das Gefühl, dass der Mann dem großen Blumenmuster das mir gefiel nur aufgrund der Krisenstimmung zustimmte. Aber egal, wir hatten wenigstens ein Paar Euro in einen dauernden Wert verwandelt. Diese Lieblingsbettwäsche, die innerfamiliär stets Eurokrisenbettwäsche gennant wird, nutze ich kontinuierlich das Jahr hindurch. Sie wird gewaschen und immer wieder aufgezogen, weil sie mir immer noch so gut gefällt.

Als ich gestern ins Bett ging, schlief der Mann bereits. Ich schlich mich ins dunkle Zimmer, schlüpfte ins Bett und „Krrrrccchhhhhhhhtttt“. Der Bettbezug riss, als ich mich in die Decke einkuschelte. Im dunklen Schlafzimmer konnte ich nicht nachschauen, wie groß der Riss im Bettbezug tatsächlich war. Die Gedanken an diesen Tag vor 15 Jahren, als uns nichts Besseres zur Bewältigung der Machtlosigkeit im Umgang mit einer Krise am Horizont einfiel als Bettwäsche zu kaufen, ging mir nicht aus dem Kopf. Wir haben immer noch den Euro und wir haben immer noch diese Bettwäsche. Die Bettwäsche aber ist nun morsch.

Zu Studienzeiten stand die Psychoanalyse bei mir und meinen Freund*innen hoch im Kurs. Wir konnten hinter keinem LKW herfahren, ohne uns zu fragen, welche Botschaft und die Werbeaufschrift vermitteln wollte. Symbolisches Denken und Traumdeutung bestimmten unseren Alltag. Wir hatten sogar ein Schreibprojekt, dass sich „Freunde träumen gemeinsam“ nannte. Wir schrieben unsere Träume auf und schickten sie einander um zu verstehen, ob es thematische Staffelhölzer gäbe die wir einander reichten und welche Themen und Trends wir unbewusst verarbeiten. Schon merkwürdig, dass ausgerechnet einer Derjenigen, mit denen ich damals gemeinsam träumte, diese Botschaft schickte, die uns aufforderte im Geheimen in Dinge zu investieren, die uns gut tun, bevor alle merken, dass alles den Bach heruntergeht.

Dass wir ausgerechnet Bettwäsche kauften, als wir vor einer bevorstehenden Krise erfuhren fühlte sich genauso symbolisch an wie das Reißen eben jenes Stoffes, der mir in den vergangenen Jahren ein schönes Zuhause, Wärme und Behaglichkeit spendete. Ich stellte fest, dass wir auch mehr als ein Jahrzehnt älter und erfahrener immer noch nicht wirklich gut gerüstet für Krisen sind. An Krisen mangelt es derzeit nicht, doch ich irre genauso kopflos durch die Gegend, wie damals in diesem Einkaufszentrum. Es wird Zeit für neue Bettwäsche.