Wir hatten nur eine Nacht in Sorrento gebucht und das war auch ok. Es ist hübsch dort, aber es passt nicht so ganz zu uns. Ich glaube, ich würde dort dauernd das Gefühl haben, über Ausgaben nachdenken zu müssen, weil schon alles ne Stange teurer dort ist, als auf Sizilien. Es ist allerdings auch alles eine Nummer geschmackvoller. Sowohl in auf Sizlien als auch in Sorrent gab es unendlich viele Souvenirs zu kaufen, deren Hauptmotiv die Zitrone ist. Aber das kann man eben in geschmackvoll und in etwas weniger geschmackvoll machen. Die Kundschaft in Sorrent hat jedenfalls einen anderen Geschmack, als in Sizilien. En Detail haben wir uns das jetzt nicht angesehen und es wäre weit gefehlt, von einer Marktstudie zu sprechen, aber man kann schon sagen, dass wir das Angebot mit einer gewissen Distanz betrachtet hatten. Hier und dort – aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Insofern war es wirklich völlig ok, nach dem Frühstück aufzubrechen. Noch am Morgen merkten wir, wie kaputt wir vom Vortag waren. Wir starteten mit einer Runde Ibuprofen in den Tag und einem Frühstück, das wir zum ersten Mal in diesem Urlaub nicht selbst zubereiten mussten, weil wir in einem Bed & Breakfast übernachteten. Und dann schulterten wir wieder unsere Rucksäcke und gingen zum Bahnhof. In der Bahnhofsbar tranken wir noch einen Abschiedskaffee und teilten ein Amarenadolci. Ja, das nennt man glaube ich Mittelmeer-Diät und das ist nachweislich sehr gesund und fühlt sich auch so an.

Wir hatten Glück, noch einen Sitzplatz im Zug zu bekommen, denn es waren sehr viele Menschen im Zug, die auf dem Weg nach Pompeji waren und ein paar andere, die wo anders hinfuhren. Der Zug war ebenso klapprig, wie der am Vortag und durch die dreckigen Scheiben war es nur schlecht möglich zu fotografieren. Dabei machte der Vesuv ein bisschen Show. Ich vermute stark, dass es nur Wolken waren, aber für die Geschichte ist es natürlich besser zu vermuten, dass er qualmte.

In Neapel umzusteigen, war laut meiner Reisebegleiterin kein Problem, das hatte sie vor ein paar Jahrzehnten schon mal gemacht. Theoretisch war das auch eine sehr schöne Idee, denn der eine Bahnhof lag ganz in der Nähe des anderen Bahnhofes, aber da wir so gerne Rucksäcke tragen, sind wir ganz praktisch erst einmal in die falsche Richtung gelaufen. Ich trage ja seit ein paar Wochen eine Apple-Watch. Seit dem wir im Urlaub sind, werde ich ständig von meiner Uhr gelobt, dabei kann die gar nicht wissen, wieviel mehr Kilos ich dabei auch noch auf dem Rücken trage. Frau Naja ist ein bisschen neidisch darauf, denn ihr Telefon zählt zwar auch Schritte, lobt sie aber nie. Außerdem hat sie jeden Tag weniger Schritte als ich, obwohl wir eigentlich fast alles zusammen machen. Zu schauen, wie viel wir mal wieder gelaufen sind, ist zu einem täglichen Ritual in unserem Urlaub geworden, obwohl es auch reichen würde, die schmerzenden Füße zu fragen.

Heute waren nicht so viele Schritte geplant, denn Zufahren und Strecke machen war angesagt. Tatsächlich, heute waren es nur 7944 Schritte. Aber alle Ringe sind geschlossen und ich wurde wieder gelobt.

Eigentlich wollten wir von Neapel nach Rom mit einem IC fahren, aber es war uns nicht möglich, die Sitzplatzreservierung am Automaten zu kaufen. Der Automat behauptete, es wäre ausverkauft. Also beeilten wir uns, den Regionalzug zu bekommen, der wenige Minuten später losfuhr und so hatten wir leider keine Zeit mehr, ein Panino zu kaufen.

Am Abend vorher waren wir im Supermarkt so müde gewesen, dass wir kaum dazu in der Lage waren, Kaufeinscheidungen zu treffen und so hatten wir zwar ausreichend Wasser, aber ausnahmsweise keinen Proviant. Auf der Zugfahrt von Neapel nach Rom konnte ich an kaum etwas anderes denken, als das Bedürfnis, einen interessanten, frischen Geschmack in den Mund zu bekommen, denn wir hatten nur Nüsschen und noch zwei Grissini, die wir schwesterlich teilten. Irgendwann stieg eine Minibar zu, verkaufte uns zwei trockene Käsebrötchen und dann wurde per Lautsprecher im Zug davor gewarnt, von illegalen Verkäufern etwas im Zug zu kaufen. Da hatten wir das trockene Brötchen schon gegessen.

Überhaupt diese Ansagen: Es war uns schon in den letzten Tagen wiederholt aufgefallen, dass man in Italien zu unverständlichen Ansagen neigt. Auf dem Schiff hatten wir schon frühmorgens das Vergnügen gehabt. Wir erkannten die Dringlichkeit in den wiederholten Äußerungen, verstanden aber weder auf italienisch noch auf englisch ein Wort. Man hat irgendwie den Eindruck, dass es nur um „möglichst laut“ geht und weniger um Verständlichkeit. Alle Personen halten inne, legen den Kopf schief und schauen sich verständnislos an, bis sie irgendwann die Achseln zucken und weitermachen. Auf der Ruinenanlage am Vortag war das genauso: Wir waren ungefähr seit 10 Minuten bei den alten Steinen angekommen, da kamen diese Ansagen. Es war wieder unverständliches Gebrabbel und mir schien, als würde ich hin und wieder das Wort „Emergency“ hören, also versuchte ich wirklich aufmerksam zu sein, um zu verstehen. Aber es war wie immer: zunächst hörten einige Menschen aufmerksam zu, dann das Achselzucken und dann fuhren alle fort, sich die Ruinen weiter anzuschauen. Uns ist auch heute noch nicht klar, ob wirklich über einen Notfall gesprochen wurde, oder ob sie uns einfach nur viel Spaß wünschten.

Die Müdigkeit, die Langeweile und der mangelnde Proviant machten es mir wirklich schwer, mich bei der ungefähr dreistündigen Zugfahrt auf die Landschaft zu konzentrieren, denn ich phantasierte von Gurken, frischem Obst oder einem Getränk mit Geschmack und das Häkelzeugs hatte ich dummerweise auch ganz unten in den Rucksack gepackt. Als ich irgendwann sagte „früher hatte ich immer etwas Leckeres in der Tasche“ fiel Frau Naja ein, dass sie noch uralte Lakritzen hatte. Das war schön.

Auf der Fahrt fragte ich mich, woher denn der für Italien berühmte Wein kommt, wenn wir nirgendwo Weinstöcke sehen. Kurz vor Rom kamen dann welche, da war ich beruhigt. Überhaupt beruhigte ich mich kurz vor Rom, denn alles kam mir vertrauter vor. Vielleicht finde ich es deswegen hier schöner, als in Süditalien. In Rom und in der Nähe von Rom war ich nun schon öfters. Es sind letztlich oberflächliche Dinge, wie die Höhe der Häuser, die Bauart und bestimmte Sorten von Bäumen. Aber ich mag es einfach und freute mich, als wir uns Rom immer weiter näherten.

Und ich freute mich, meine Freundin M. zu treffen, bei der wir die nächsten Tage verbringen wollen. Sie wohnt eine gute Stunde außerhalb von Rom in den Sabiner Bergen, wir trafen sie aber schon am Bahnhof, weil sie Donnerstags in Rom arbeitet. So war es für uns Bahnfahrerinnen einfacher zu ihr aufs Land zu kommen, denn sie hatte ihr Auto an einem Regionalbahnhof geparkt und musste uns nicht extra abholen.

Auf der Fahrt zu ihr nachhause waren wir noch einem Dorf einen Aperitiv trinken. Lustigerweise fragte sie, ob wir darauf Lust hätten. Immer, wenn ich sie besuche, trinken wir gegen 17 Uhr einen Apertivo – das ist doch klar! Und wie immer in dieser Gegend gab es zum Aperitivo leckere Knabbereien: Oliven, Chips, Käse, Salami und kleine Häppchen. Wir haben uns ganz schön darauf gestürzt. Endlich Geschmack! Allerdings hatten die Häppchen nicht genügend Substanz – mit etwas wackeligen Beinen bewunderten wir die Landschaft. Lauter Dörfer, die an die Spitze von Bergen geklebt sind. M. erzählte, dass mit dem Untergang des römischen Reiches auch der Schutz der Landbevölkerung untergegangen sei, deswegen verzogen sie sich ungefähr im 9. Jahrhundert auf die Berge und bauten dort „Wehrdörfer“. So entstanden – mit unserem heutigen Blick – lauter unfassbar pittoreske Dörflein mit schiefen Häusern, verwinkelten Gassen und diese Blumentöpfe mit den Sukkulenten überall. Dieser Ausblick ins Tal runter und die Olivenbäume und überhaupt, diese ganzen Schattierungen unterschiedlicher Grüntöne… Ich mag es sehr!

Bei M. zuhause angekommen, begrüßten wir ihren Mann und die Katzen. Der Mann kochte wie immer leckerstes Essen und die Katzen hatten Hunger, doch der Fisch und das Gemüse war für uns. Ich freute mich, dass sich meine Reisebegleiterin bei meinen Freunden auch wohlfühlen, denn für mich war es ein Nachhausekommen, wo ich nicht nur eine schöne Zeit haben werde, sondern indem ich auch Kraft für die Weiterreise schöpfen kann. Geplant waren 2 Nächte, aber erst sagte M. „Was, nur 2 Nächte?“ und dann die Reisebegleiterin „ach, wir können auch noch länger bleiben, denn wir wollten ja erst Ostern wieder zurück in Hamburg sein“. Nun wir werden sehen. Wie immer hier, sind die Tage wenig planbar, denn M. ist eine Künstlerin, die mich immer wieder überrascht. Als ich letztes Jahr alleine hier war, begleitete ich sie einfach in ihrem Alltag und erlebte lauter interessante Sachen: ich war mit beim Reiten, einer Vernissage, in einem entfernten Städtchen, weil da ein Zahnarzttermin war, in einer Kunstausstellung, im Supermarkt, bei Freund*innen, bei einem Online-Kunstkurs bei dem ich mitmachte und vielem mehr. Mir war nie langweilig und wenn gerade nichts zu tun war, dann schaute ich auf die Landschaft den Berg runter und den Tausenden von Grüntönen oder ging in die Bar auf dem Dorf und trank je nach Tageszeit einen Kaffee oder einen Apertivo bis mich nach wenigen Tagen die Dorfbewohner*innen zu grüßen begannen. Dolce Vita.

Für morgen haben wir angedacht in eine Therme zu gehen. Aber das haben wir bei meinen letzten Auffenthalten hier auch jedesmal geplant und es nie passiert. Insofern warten wir es einfach ab. Etwas Entschleunigung ob mit oder ohne gesundes Wasser, wird uns auf jeden Fall gut tun.