Das mit mir und dem Schwimmen begann mit den Kopfsprüngen. Ich hatte zwar bereits als Teenie Michael Groß beim Training angeschmachtet, geriet schon in früher Kindheit beim Anblick von Synchronschwimmerinnen in Entzücken und war auch mal in einen Schwimmer verliebt, aber dass das mit dem Schwimmen und mir wirklich was Ernstes, werden würde, begann erst viel, viel später.
Es begann genauer gesagt mit einem gut passendem Bikini*. Das war so eine Erleichterung, endlich das Passende zu tragen – das kann man sich vermutlich gar nicht vorstellen, wenn man einen unkomplizierten Körper hat und einfach in ein Geschäft gehen kann, um sich etwas zum Anziehen zu kaufen. Mein Körper ist schwieriger einzukleiden, weil ich eine große Größe trage. Vor dem Bikini hatte ich halt irgendwelche Badesachen. Nichts, in dem ich mich wirklich wohl fühlte, doch das war auch gar nicht mein Anspruch. Zweckmäßig sollte es sein und das war es. Aber mit dem Bikini veränderte sich alles.
Für Sprünge ins Wasser ist es gut etwas zu tragen, das auch nach dem Sprung noch dort sitzt, so es sitzen soll. Der neue Bikini saß fest. Ich fühlte mich sicher und ja, ich fühlte mich auch mutig, mit meiner Figur einen Bikini zu tragen. Ich sah, dass die Menschen schauten und manche tuschelten auch. Besonders viel getuschelt wird, wenn ich vom Beckenrand ins kopfüber ins Wasser springe. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob das, was ich da nun seit Jahren veranstalte ein eleganter Kopfsprung oder eher ein irgendwie-ins-Wasser ist. Aber es ist auch kein Bauchplatscher. Der würde ohnehin nicht so viel Spaß machen, weil das schließlich weh tut.
Meinen ersten Kopfsprung im Erwachsenenalter machte ich am Bodensee. Ich liebe es, im Freiwasser zu schwimmen und ganz besonders liebe ich es, wenn es Plattformen gibt, auf denen man eine Pause machen und den anderen Leuten bei ihren Gesprächen zuhören kann. In meinem Lieblingsbad gibt es sowas und schon seit meiner Kindheit bin ich gerne dorthin geschwommen. Ich fand es auch immer cool, wenn die Menschen von der Plattform aus in den See sprangen, um zurück ans Ufer zu schwimmen. Ein Kopfsprung ist auf jeden Fall noch mal ne Ecke cooler, als mit der Hand an der Nase und den Füßen zuerst ins Wasser zu springen. Ich glaube, ich nahm bis zu dem Tag, an dem ich den neuen Bikini hatte, meist die Leiter.
Elegant war es ganz sicherlich nicht, als ich das erste Mal kopfüber ins Wasser sprang. Es waren auch nicht viele Leute da, die das sehen konnten, sonst hätte ich mich gar nicht getraut. Es hat schon seine Vorteile, eine schlecht-Wetter-Schwimmerin zu sein. Aber auch wenn es ein erster, noch schüchterner und ungelenkter Versuch war, es fühlte sich grandios an. Vermutlich brannte die Haut an Brust oder Bauch vom harten Aufprall ins Wasser, aber schon beim ersten Sprung mit dem Kopf voran ins Wasser ahnte ich, wie elegant das irgendwann mal werden könnte und genoß die Geschwindigkeit, mit der ich durchs Wasser schoss. Der Bikini saß an Ort und Stelle, alles war, wie es sein sollte. Also wiederholte ich das Vergnügen, einmal, zweimal, immer wieder. Irgendwann war ich so mutig, es auch an einem sonnigen Tag zu tun, so dass andere Menschen mich springen sehen konnten. Was sie darüber sagten, hörte ich nicht, denn ich schwamm einfach weiter, als wäre es das Normalste von der Welt. Innerlich fand ich mich total cool.
Wenn ich fortan im Schwimmbad Kopfsprünge machte, dann sah ich oft Blicke. Es ist nicht üblich, dass erwachsene Frauen ins Wasser springen und Dicke schon gar nicht. Schade eigentlich, denn es macht Spaß! Ich mag es nicht, dabei eine Schwimmbrille zu tragen, denn der Aufprall auf dem Wasser, drückt mir diese zu fest ins Gesicht. Aber ich mag die Vorstellung, dass der Sprung einer dicken Frau ins Wasser ein emanzipatorischer Akt ist, denn es gibt keinen Grund dafür, es nicht zu tun. Ich sehe, dass die Menschen schauen, ich kann nur ahnen, was sie denken. Aber ich freue mich über jeden Erwachsenen, der oder die es mir anschließend nachmacht und das passiert schon hin und wieder.
Vor lauter Kraulen üben, habe ich das Springen in den letzten Monaten vergessen. Als ich heute im Freibad war, fiel es mir wieder ein. Ich konnte nur 35 Minuten einigermaßen Bahnen ziehen, danach war es zu voll. Doch ich konnte mich noch nicht so recht vom Wasser verabschieden. Ich zögerte kurz, als ich die Schwimmbrille in die Tasche packte. Gehen oder bleiben? Es war ein heißer Tag und das kühle Nass war herrlich. Das Freibad war voller Menschen und auch an schaut-her-was-für-ein-toller-Hecht-ich-bin-Aktionen mangelte es nicht. Warum sollte ich den männlichen Teenagern den Beckenrand überlassen? Sie kamen gar nicht auf die Idee, mir Platz zu machen, ich drängelte mich dazwischen und sprang. Mir doch egal, was sie dachten. Natürlich konnte ich nicht so oft wie sie springen, denn im Gegensatz zu den kleinen Kraftprotzen, musste ich zur Treppe schwimmen, um aus dem Becken zu kommen. Nach ein paar Sprüngen wichen sie zur Seite. Der Beckenrand gehört nicht nur den Hechten und als ich sah, dass zwei weitere Frauen nun auch Anstalten machten, ins Wasser zu springen, jubilierte ich.
Solltest du es noch nie versucht oder schon länger nicht mehr gemacht haben: Spring! Es ist wunderbar!
(Die Sache mit dem Bikini kommt dir bekannt vor? Das kann sein, denn die Bikinigeschichte habe ich schon mal 2019 für das Blog der BH Lounge aufgeschrieben.)
@meikesblog Vielen Dank für die Erinnerung daran, dass Kopfsprünge herrlich sind – ich bin einfach nie auf die Idee gekommen, sie separat vom Schwimmen zu sehen.
Gerne! Gute Frage, ob ich das getrennt voneinander wahrnehme. Ich glaube ja und das liegt an der Schwimmbrille. Diese wird einfach zu doll ins Gesicht gedrückt beim Kopfsprung. Wahrscheinlich springe ich deswegen auch am liebsten von einer Plattform in einem See, denn da trage ich keine Schwimmbrille. Im Schwimmbad ist das tatsächlich dann eine andere „Einheit“. Ich packe die Schwimmbrille ein und dann gönne ich mir noch ein paar Sprünge, bevor es unter die Dusche geht.
@meikesblog
Danke dir, dass du den Gedanken zum Bikini damals bei uns im Blog geteilt hast. Der macht auch heute noch vielen Leuten Mut!
Sehr gerne. Ich freue mich für jede einzelne Person, die aus meinen Texten etwas mitnimmt und metaphorische Sprünge macht oder tatsächlich genussvoll ins Wasser springt.