Unser Zimmer in Bologna war wirklich scheußlich. Der Blick auf die Gleise des Bahnhofs war noch das Schönste. Ich versuchte es mir am Abend gedanklich schön zu reden, von wegen die Dusche hätte doch gut getan und mit unserer Unordnung könne man sich doch zuhause fühlen. Aber es blieb einfach eine Absteige. Nachts, wenn ich mich auf dem Kissen umdrehte und diesen schrägen Geruch in die Nase bekam, hatte ich Mühe, wieder einzuschlafen. 


Anscheinend hatten wir beide eine sehr unruhige Nacht und wachten früh auf. Frau Naja saß irgendwann neben mir im Bett, das Telefon in der Hand und recherchierte wie wir weiterfahren könnten. Sie sagte irgendwas von „wir könnten um 8.10 Uhr in den Zug nach Ljubljana steigen“ und ich dachte, „was soll’s, dann machen wir das eben“. Ich glaube, ich habe aber zwischen Frage und Antwort noch ne Viertelstunde geschlafen. 


Wann ich genau sagte, dass es überall regnet, wo wir hinfahren könnten, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls verhagelte das irgendwann nicht nur mir, sondern auch der Reisebegleiterin die Reiselaune. Uns fehlte eine Vision für die Rückfahrt und dann diese doofe Wettervorhersage. Irgendwann sagte ich sogar „wir stehen auf, packen unseren Kram, gehen zum Bahnhof und fahren mit dem Interrail-Ticket einfach irgendwohin.“ Na, wenn das nicht abenteuerlustig ist! Vermutlich sagte ich dann aber auch „war nur Spaß.“ 


Wie genau der Entschluss zustande kam, nach Bozen zu fahren, erinnere ich jedenfalls nicht. Irgendwann schaute Frau Naja nach dem Wetter in möglichen Zielen und da sah es so aus, als wäre ganz Europa von einer Regenwolke bedeckt, nur über Bozen eine Lücke. Es gab Reservierungen für den Schnellzug und ich sagte „ja, ja..“, denn es war mir eigentlich auch egal. Andererseits stellte ich mit gewisser Zufriedenheit fest, dass das genau die Route war, die ich mir vor Wochen für die Rückfahrt ausgedacht hatte „hin über die Schweiz – zurück über Südtirol und Innsbruck“, die aber mangels Originalität von der Reisebegleiterin abgelehnt wurde. Aber was nützt einer die Originalität, wenn es überall regnet. 


Ich fand es jedenfalls gut, dass sie die Reservierungen für den Schnellzug nach Bozen klar machte, denn so hatten wir ein nächstes Ziel und konnten schleunigst die Absteige verlassen. Ein kleines Frühstück (für den hohlen Zahn) in einer typisch hellerleuchteten italienischen Bar auf dem Weg zum Bahnhof und schon begaben wir uns in das Unter-Unter-Untergeschoss des Bahnhofs in Bologna und wenig später fuhr schon unser Zug ein. 


Auf der Zugfahrt regnete es. Ich versuchte aus dem Fenster zuschauen, doch irgendwann bin ich eingeschlafen. Nein, erst versuchte ich Musik zu hören, wurde aber 3x beim ersten Lied unterbrochen. Als ich dann endlich hören konnte, bin ich dabei eingeschlafen. Das Schläfchen tat gut. Als ich aufwachte, entdeckte ich Frau Naja auf einem anderen Sitzplatz, von dem man besser durchs Fenster schauen konnte, sowie hübschere Landschaft. Das war so um Trento herum. Das wurde dann tatsächlich ein schönes Zugfahren. Gute Aussicht, gutes Picknick mit leckerem Käse, altem Brot und erfrischender Gurke.


In Bozen angekommen, wussten wir nicht so recht, ob wir bleiben wollen. Wir beschlossen, erstmal einen Kaffee zu trinken, um herauszufinden, ob die Stadt mit uns spricht. Irgendwie tat sie das nicht. Klar, es war nur die Gegend in der Nähe des Bahnhofs, die ist ja meist nicht so prickelnd.Aber wir hatten auch den Eindruck, dass wir lieber an einem kleineren, übersichtlicheren Ort wären, der hübsch wirkt, obwohl man nicht so viel dafür laufen muss. Das ist ein Systemfehler von Interrailreisen, dass man irgendwie immer in Knotenpunkten denkt und dann in zu großen Städten landet, die zum einen anstrengend sind und bei denen es eigentlich auch gar keine Chance gibt, diese bei einem kurzen Aufenthalt richtig zu erfassen. 


Außerdem hatten wir das Gefühl, dass wir durchaus noch ein bisschen Zugfahren könnten. So wahnsinnig viel Auswahl gab es auf der Anzeigetafel in Bozen nicht, aber Merano stand öfters dran. Ohne etwas über Merano zu wissen (klingt nach einem Sehnsuchtsort der Generation unserer Großeltern, oder?) recherchierten wir nach Unterkünften und fanden recht schnell ein vergleichsweise günstiges, hübsches Hotel. Das hatten wir uns nach der Absteige wirklich verdient. Ich rief da noch mal an, weil es auf deren Website noch billiger war, als bei den Internet-Vermittlungsstellen, und wir machten das Zimmer klar. 


Vom Bahnhof aus in Merano hatten wir nicht weit zu laufen, bis wir vor einer gelben Villa standen. Der ganze Eingangsbereich, das Treppenhaus und die Rezeption sahen tatsächlich aus, wie ein Sehnsuchtsort unserer Großeltern. Aber es gab Bilder vom Papst, der  – so wie es aussah – auch einmal hier war (oder zumindest einer seiner Jungs) und im Zimmer angekommen, bereuten wir unsere Wahl nicht. Wir haben einen Balkon und einen rauschenden Bergbach-Fluss direkt davor. Das Zimmer ist herrlich altmodisch eingerichtet. Alte, große Holzbetten – wirklich wie bei den Großeltern, geblümte Vorhänge, hier und dort Kommoden – es ist zum Piepen. Wir haben hier echt Ambiente – allerdings haben wir kein W-LAN, wie wir schnell feststellen mussten. Sehr retro alles hier. Aber egal, wir finden es trotzdem gut. So gut, dass wir erst einmal ein Päuschen machten. 


Nach dem Ausruhen gingen wir die Gegend erkunden. Die Idee, wie richtige Senioren in einem Erholungsort, in die Therme zu gehen, verwarfen wir schnell wieder, obwohl diese bis 21 Uhr geöffnet ist. Wir ahnten schon, dass wir nicht so lange durchhalten würden, denn wie wir ja bereits mehrfach festgestellt hatten : Reisen ist anstrengend. Es wäre wirklich sehr sehr unwahrscheinlich gewesen, dass wir nach dem Abendessen noch mal zurück ins Hotel gegangen wären, und dann tatsächlich mit Bikini und Duschzeugs etc. den ganzen Weg wieder zurück ins Städtchen gelaufen wären, um dann in die Therme zu gehen. Unsere Urlaubsabende sahen bisher eigentlich immer so aus, dass wir nach dem Abendessen total müde waren, uns ins Bett setzten und dann außer Duolingo und dem Reisebericht nichts mehr produktiv hinbekamen. Also beschlossen wir, in ca. 6 Wochen uns zu einem Besuch in einer norddeutschen Therme zu verabreden. Den Eintritt haben wir dann noch aus der Urlaubskasse gut. Es wird sehr viel entspannter, es dann zu machen, als den Erholungsprogrammpunkt jetzt noch in den Urlaub zu quetschen und es ist eine gute Gelegenheit, mit ein paar Wochen Abstand die Reise gemeinsam Revue passieren zu lassen. Frau Naja machte ein Foto von der Therme hier in Meran, damit wir uns daran erinnern, dass wir noch einen „Gutschein“ haben. 


Merano ist eigentlich ein perfekter Übergangsort. Plötzlich hörten und lasen wir ganz viele deutsche Worte. Mir wurde ganz weh ums Herz, dass wir gar nicht mehr richtig in Italien waren. Auf so einen plötzlichen Abschied war ich dann doch nicht vorbereitet. Aber es ist ja eigentlich gar kein plötzlicher Abschied, denn hier ist ja alles zumindest halb italienisch und offiziell sind wir ja auch noch in Italien. 


Meran hat wie Bologna auch, übernachte Arkaden. Die Reisebegleiterin las mir vor, dass das mal die allerlängsten Arkaden waren, bevor sie unterbrochen wurden. Ich fand es waren eher anstrengende Arkaden in diesem Gässchen, denn in der Mitte der Straße wurde gebaut und an der offenen Seite der Arkade war ein Bauzaun. Durch diesen Bauzaun kam man sich eingesperrt vor und die vielen Menschen um uns herum nervten. Ganz besonders nervig war es in einem Supermarkt, in dem wir kurz waren, um noch ein paar italienische Ostereier und Kaminwurzen als Mitbringsel zu kaufen. Der Supermarkt war warm, voller Menschen und hatte ein merkwürdiges architektonisches Konzept über mehrere Stockwerke, aus dem wir erst einmal gar nicht mehr herausfanden, was die Laune auch nicht unbedingt verbesserte. 


Wir schlenderten noch ein bisschen durch Meran und obwohl es uns schon ganz gut gefiel (also insbesondere unser Hotelzimmer), waren wir mal wieder erschöpft und hatten nach kurzer Zeit das Gefühl, alle Hotspots gesehen zu haben. Um uns den Abschied von Italien zu erleichtern, beschlossen wir deshalb an der Promenade einen Aperitivo zu trinken, weil es auch noch zu früh für das Abendessen war und es schon wieder nieselte. 


Beim Spritz loteten wir weiter die Möglichkeiten für die Rückfahrt aus. Ach, wo sollen wir nur hinfahren? Insbruck? Kufstein? Wien? Kennen wir jemand in München? Irgendwie lockte gar nichts. Frau Naja überlegte hin und her, wo noch schöne Bahnstrecken durch die Berge sein könnten, aber irgendwann bremste ich sie aus mit der Bemerkung, dass für morgen auch wieder überall Regen angesagt ist. Was sollen wir also mit Bahn oder Bus durch die Berge schuckeln, wenn es regnet? Ich war sogar so weit zu überlegen, ob wir morgen nicht doch in einem Rutsch zurück nach Hamburg fahren. Das wäre sogar möglich, wir könnten Harburg (das liegt kurz vor Hamburg) um 23 Uhr erreichen und dann mit der S-Bahn nachhause fahren. Aber wollen wir das?


Die Aussicht, eine lange Zugfahrt vor sich zu haben und dann auch noch vor den Toren Hamburgs anzukommen, ist auch nicht verlockend, also dachten wir doch wieder über einen Zwischenstopp nach. Wir fanden heraus, dass es wirklich einfach ist aus der Gegend von Innsbruck Richtung Hamburg so wegzukommen, so dass man sogar zum Abendessen zuhause sein kann. Das war motivierend. Lieber am Mittwoch um 18.30 Uhr in Altona, als kurz vor Mitternacht einen Tag früher in Harburg. 


Jetzt fehlen noch die Details, wo genau fahren wir hin rund um Innsbruck, wann fahren wir los und wo werden wir schlafen. Aber das bekommen wir auch noch hin und vielleicht hat der Wettergott ja noch ein Einsehen und schenkt uns schönes Reisewetter und lässt es dafür in Deutschland regnen, denn dort fehlt die Feuchtigkeit, wie ich lesen konnte, wenn ich im Urlaub doch hin und wieder ins Internet luscherte.