Als ich nach einer anstrengenden Woche in Kiel gestern nachhause kam verstand ich, warum ich die schöne Zeit im neuen Projekt so anstrengend finde: Home is where my Käsebrot-mit-Salat is. Salat ist erst richtig super, wenn er bunt ist. Seit ich jeden Tag einen Salat zum Käsebrot mache, habe ich den Kühlschrank voll mit den unterschiedlichsten Zutaten, aus denen ein appetitlicher Salat entstehen kann. So einen Kühlschrank habe ich in Hamburg, aber noch nicht in Kiel und ich merke, sehr mir das fehlt.

Ich bin gerade in einer Kiel-Honeymoonphase und schwer begeistert ob meiner Entscheidung noch mal so ein großes Projekt anzugehen und ganz viel Neues zu lernen. Und gleichzeitig bin erschrocken, was daraus alles entstehen könnte. So toll das neue Projekt auch ist, meine neugewonnen Angewohnheiten rund um die radikale Selbstfürsorge leiden darunter. Ich war seit Wochen nicht mehr schwimmen und ich esse nicht mehr so gesund, wie in den vergangenen Monaten. Es ist mehr ein Überleben als ein Leben in der merkwürdigen Butze in der ich übernachte und die physische und psychische Erholung kommt zu kurz. Ich bin „auf Montage“ deswegen arbeite ich im Zweifelsfall abends, denn einfach ich zu sein und das Leben zu genießen geht in der Butze nicht.

Dabei geht es nicht um Luxus. Ich glaube, ich wäre genauso genervt, wenn ich in einem schicken Hotel wäre. Es macht einfach keinen Spaß, alleine essen zu gehen und dann dort gar nicht mal so gutes Essen teuer zu bezahlen. Die meisten Locations kochen ja ohnehin keine tollen Speisen, sondern machen gefühlt nur noch den überall verbreiteten Convenient-Scheiß. Alleine Essen zu gehen ist dann nicht das besondere Event, sondern eine Notwendigkeit, weil ich eben kein Zuhause und keinen Kühlschrank in der anderen Stadt habe. Die Alternative, ständig Minigurken und Käse im Supermarkt zu kaufen, mein in Hamburg selbstgebackenes Brot einzupacken und nach Kiel zu tragen, um es in der Übernachtungsmöglichkeit zu picknicken ist auch eher mäh.

Käsebrot-mit-Salat ist kein Convenient-Scheiß und kann, insbesondere dann wenn man es mit netten Menschen zusammen isst, was ganz Feines sein. Schon als Kind habe ich festgestellt, dass das Käsebrot bei anderen immer besser schmeckt als zuhause. Es konnte der gleiche Käse und das gleiche Brot sein. Irgendwie schmeckte es bei den Nachbar*innen doch besser. Das Käsebrot zieht sich also durch mein Leben. Das Käsebrot steht für mich aber auch symbolisch für das unspektakuläre Alltagsessen. Auch wenn ich mich freue, wenn Menschen für mich kochen. Es ist noch viel cooler, wenn sich ein spontanes Treffen ergibt und geschaut wird, was noch im Kühlschrank ist. Weil es um die Begegnung und gar nicht primär um das Essen geht. Ist der Kühlschrank dann auch noch gut gefüllt, wird es nicht nur schön, sondern in jeder Hinsicht gesund.

Jetzt weiß ich ja schon von mir, dass ich eine Couch-Surferin bin, also lieber nette Menschen in ihrem Zuhause besuche, als schicken Urlaub in einem Hotel zu machen. Mich stört es weniger auf unbequemen Betten zu schlafen und ein gemeinsames Badezimmer zu benutzen, denn ich mag diese persönlichen Begegnungen. Es ist schön, in das Leben anderer Menschen einen Blick zu werfen. Es ist auch spannend, deren Freund*innen und Familienmitglieder kennen zu lernen und ein bisschen zu verstehen, wie der Alltag aussieht. Als ich im Oktober in Graz bei einer sehr nerdigen Familie mit vielen Hobbys und den entsprechenden Materialien, Werkzeugen und Maschinen die überall herumstanden zu Gast war, fühlte ich mich sehr zuhause. Auf einmal konnte ich mir vorstellen, dass es für andere gar nicht schlimm ist, wenn viel Kram rumliegt. Früher habe ich mir Bücherregale angeschaut um herauszufinden, ob ein neuer Kontakt zu mir passt. Heute freue ich mich über angefangene DIY-Projekte und 3-D-Drucker im Wohnzimmer.

Heutzutage laden wir immer weniger Menschen in unser Zuhause ein. Ich weiß nicht, ob es am Alter und dem dazugehörigen Einkommen liegt, in dem wir es uns leisten können Essen zu gehen oder ob es ein gesellschaftlicher Trend ist sich eher in der Öffentlichkeit zu treffen als im Privaten. In meinem Umfeld ist es tatsächlich so, dass der Standard das Treffen im Öffentlichen ist. Das ist ja ok, wenn man sich gerade erst kennenlernt, aber irgendwann ist doch mal Schluss mit beschnuppern. Ich habe dann die Frage auf den Lippen „möchtest du meine Freundin/mein Freund sein?“ und fühle mich dann genauso wie ein schüchterner Teenager, denn was wäre, wenn jemand „och nö lass mal, so nah will ich dich doch nicht ranlassen“ sagt? Aber weil ich ja echten Kontakt und nicht nur Zeitvertreib suche, traue ich mich dann doch manchmal, diese Frage zu stellen.

Oftmals habe ich das Gefühl, dass es aufdringlich ist, mich selbst einzuladen mit den Worten „ich komme auch gerne zu dir“. Das ist besonders doof, weil ich auch nicht gerade oft eine Einladung zu mir ausspreche. Seit Jahren denke ich schon darüber nach, dass ich meine wohnliche Situation gerne so verändern würde, dass ich jederzeit meine Couch anbieten könnte. Aber das Leben und wer weiß, vielleicht auch die Angst vor Veränderung, hielt mich davon ab, diesen Wunsch zu realisieren. Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, diesen Wunsch mal ernst zu nehmen. In Hinblick auf das Projekt in Kiel würde das bedeuten, meine Sehnsucht ernst zu nehmen, mir ein kleines Zuhause dort zu gönnen, in dem ich mit anderen Menschen ein Käsebrot-mit-Salat essen kann. Aber ich weiß ja noch nicht, ob das mit mir und Kiel was Festes ist. Doch möglicherweise gehört das auch zur radikalen Selbstfürsorge dazu auch noch unsichere Übergangssituationen so zu gestalten, dass es mir gut tut.