„Sie nehmen uns unser Internet weg! Sie machen es kaputt!“ Das, was die große Suchmaschine mit dem G vorhat, hat mich ganz schön umgehauen, als ich von deren Plänen lass. Ich habe nicht alles verstanden, aber in entstand eine große Verunsicherung, die sich vor allen Dingen auf meinen beruflichen Alltag bezog. Je mehr ich darüber nachdachte, stellten aber die daraus entstehenden Konsequenzen gefühlt mein ganzes Leben auf den Kopf. Denn mein Leben, mein Arbeiten und die digitale Welt sind untrennbar verknüpft. Ich muss etwas ausholen:
Seit Jahren bin ich im „Online-Business“ tätig. Damit ist nicht nur gemeint, dass ich digitale Produkte herstelle und verkaufe, sondern auch, dass ich Interessierte über das Internet finde, begeistere und sie so zu Kund*innen werden. Ich war noch nie ein Fan von Internetwerbung. Manchmal konnte ich sie mir nicht leisten und ganz oft dachte ich einfach, dass ich diesen gigantischen Konzernen nicht das Geld in den Rachen werfen will und dass ich den Algorithmus weder mag noch ihm vertraue. Im Vergleich zu herkömmlicher Werbung ist das natürlich vergleichsweise billig und es wird uns auch vermittelt, dass diese Werbung zielgerichteter ist, als ein Platz auf einer Litfasssäule zu mieten oder im Bus Werbung zu zeigen. Das verstehe ich alles und hatte noch irgendwie nicht wirklich das Gefühl, dass das zu mir passt. Auch Social Media fand ich stets anstrengend. Ich fühlte, wie die Menschen immer nur mich sehen wollten, wie sie nach Einblicken in mein Leben gierten, was sich für mich nicht gut anfühlte, obwohl ich gleichzeitig freiwillig auf twitter und später Mastodon durchaus private Gedanken teilte, aber eben nicht, um etwas zu verkaufen. Ich vertraute lieber darauf, mit eigenen Texten in Blog und Newsletter oder auch Podcast die richtigen Menschen anzuziehen, statt selbst gierig nach der großen Masse zu sein. Ich bin keine SEO-Expertin und hätte vieles in den letzten Jahren und Jahrzehnten diesbezüglich besser machen können – aber es war immer genug. Die richtigen Menschen kamen und das war gut so.
Wenn die Menschen nun nur noch KI fragen, um Antworten zu bekommen und wenn Suchmaschinen glauben Antworten statt Ergebnissen zu liefern, dann wird es schwer werden, entdeckt und gefunden zu werden.
Meine erste Reaktion bezüglich KI war, meine Inhalte zu verstecken, um sie der KI nicht zum Fraß vorzuwerfen. Es ist doch absurd, meine Schätze demjenigen zu verschenken, der anschließend noch nicht mal erwähnt, dass es mal ursprünglich von mir kommt. Meine zweite Reaktion war Mauern zu bauen. Ich richtete eine Online-Bibliothek hinter einer Paywall ein, um Menschen, die sich für meine Inhalte interessieren garantieren zu können, dass das wirklich von mir ist. Meine Idee war es eine Art Manufactum-Siegel zu schaffen und genau die Menschen anzusprechen, die „die gute alte Zeit“ schätzen, in der noch nachgedacht wird, statt schnell-schnell-Inhalte mit KI zu erzeugen.
Meine aktuelle Strategie, mit der Verunsicherung umzugehen, die die Veränderungen auslösen ist, auf Kontakt zu setzen. Ich bin alt genug, um mich daran zu erinnern, dass wir früher Menschen persönlich getroffen haben, mit ihnen gesprochen haben und dann mit dem einen oder der anderen beschlossen in Verbindung zu bleiben. Die Art und Weise, wie ich damals Twitter nutzte oder Mastodon jetzt nutze und nutze ist genau das, eben in digital. Ich verbinde mich mit Menschen. Ich interessiere mich dafür, was sie sagen und teilen. Für mich fühlt sich das fast genauso an, wie diese Menschen „in echt“ zu treffen.
Doch was bleibt ist die Sorge, dass der Kreis derjenigen, mit denen ich in Kontakt bleibe, zu klein bleibt, um genügend zu verkaufen, um davon leben zu können. Deswegen glaube ich, dass es tatsächlich Veranstaltungen braucht, die Gelegenheiten bieten, mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen. Ich habe vor kurzer Zeit auf der digitalen Woche in Kiel genau das erlebt. Es gab Bühnen, um sich und seine Gedanken zu zeigen und daraus entstanden Gespräche und Verbindungen. Sich anschließend im digitalen Raum zu vernetzen hilft, in Verbindung zu bleiben. Ich würde mir wünschen, dass das noch in einer größeren Intensität entsteht. Ich habe nach der Veranstaltung 3 Menschen angeboten, mal einen Kaffee zu trinken oder zu lunchen. Mit einer Person ist das gestern passiert und es war ganz wunderbar. Wir haben uns intensiver unterhalten, ohne ein konkretes Ziel zu haben wie wir für einander nützlich sein könnten, aber mit diesem Kribbeln im Bauch das ich immer bekomme, wenn ich einen Menschen entdecke, bei dem die Wellenlänge stimmt. Während ich das so schreibe nehme ich mir vor, viel öfter Menschen zu mir einzuladen, statt vorzuschlagen, sich auf Social Media zu verbinden. Über die meisten meiner Linkedin-Kontakte weiß ich verdammt wenig. Auf Mastodon ist das anders, aber da habe ich eher das Gefühl, dass vielen der digitale Kontakt reicht und nicht immer besteht zweiseitiges Interesse.
Vielleicht kostet es mehr Zeit, Kontakt aufzunehmen, sich Zeit für Begegnungen zu schaffen, die noch nicht mal zielgerichtet darauf ausgerichtet sind, Kund*innen zu gewinnen. Aber vielleicht ist das die einzige Chance, die wir haben, wenn unsere Welt mangels nutzbarer Suchmaschinen wieder kleiner wird. Vielleicht müssen wir uns auf den guten alten Dorfplatz zurückbesinnen. Unser Dorf wird vermutlich nicht vor unserer Haustüre sein. Das Dorf darf sich über größere Räume erstrecken, denn wir können digital in Kontakt bleiben. Es wird nur schwerer werden, einander zu finden. Aber wenn wir uns gefunden haben, sollten wir damit beginnen, Beziehungen aufzubauen und Kontakt zu pflegen. Vermutlich müssen wir dann aufhören, empörende Inhalte zu teilen, sondern etwas von uns zeigen. Das erfordert Mut ist aber eine schöne Vorstellung, dass sich das durchsetzen könnte.
Vielleicht habe ich jetzt einen sehr großen Bogen geschlagen, denn eigentlich wollte ich von meiner Begeisterung über die Digitale Woche in Kiel schreiben, von der ich irgendwie verwandelt zurück kam. Meine Verwandlung hatte aber tatsächlich weniger mit den Inhalten zu tun, die bei Vorträgen vermittelt bekam, als dem guten Gefühl, ein paar neue tolle Menschen begegnet zu sein und der Freude andere wiedergetroffen zu haben.
In den letzten Tagen las ich viel über die re:publica und natürlich ist es toll, von Menschen, die ich schätze auf tolle Inputs hingewiesen zu werden. Es ist großartig, dass es zum Teil die Möglichkeit gibt, Videos von Vorträgen am eigenen Bildschirm anzusehen, weil es Aufzeichnungen gibt. Was ich wenig gelesen habe und was Felix zurecht vermisste, waren Blog-Berichte von der Veranstaltung. Wenn mir jemand erzählt, warum ein Vortrag ihn oder sie berührt hat, kann ich nicht nur etwas über den Input erfahren, sondern auch von dem Menschen. Ich fasse mich an meine eigene Nase und wundere mich, warum ich nicht auch von der Digitalen Woche berichtet habe. Ich habe das auf Linkedin und Mastodon getan, aber es wäre natürlich auch toll, so etwas auf meinem eigenen Acker, hier im Blog zu tun. Ich habe aus Eitelkeit den bequemen Weg der knappen Berichterstattlung gewählt, in der Hoffnung damit zu glänzen und gefunden zu werden. Aber ich habe mir nicht die Mühe gemacht, in die Tiefe zu gehen und mit einem Bericht etwas von mir zu zeigen, um Kontakt zu ermöglichen.
Wenn das Modell „Suchmaschine“ tatsächlich hinüber ist, dann ist es vermutlich besser, sich mehr auf Qualität statt auf Quantität von Kontakten zu besinnen. Menschlich gesehen wird uns das bestimmt gut tun. Ob ich auch (beruflich) davon leben kann, wird sich zeigen.