Ich habe dann gestern Abend das Freibad-Buch noch zu Ende gelesen. Ich kann es noch, auch wenn es sich ungewohnt anfühlt. In den letzten Jahren habe ich zwar immer wieder Sachbücher gelesen, doch zur Belletristik fehlte mir der Zugang und die Geduld. Doch jetzt habe ich einen Beschluss gefasst.
Neben meinem Bett, auf meinem Schreibtisch, eigentlich überall stapeln sich Bücher. Bücher sind immer der einzige Luxus gewesen, den ich mir immer ohne Nachzudenken gegönnt habe. Mein Leben lang habe ich zwar einen Bibliotheksausweis, den ich auch stetig nutze, aber ich ich habe auch immer gerne Bücher gekauft. Mittlerweile besitze ich sie nicht mehr so gerne wie früher. Das liegt daran, dass Bücher nicht mehr die zentrale Rolle in Wohnungseinrichtungen spielen und überhaupt, das immer weniger Menschen zu Besuch kommen. Früher bin ich als erstes ans Bücherregal von neuen Menschen in meinem Leben gegangen, um zu schauen, ob wir eine gemeinsame Zukunft haben. Gab es kein Bücherregal, was das ohnehin undenkbar. Waren es die richtigen Bücher, dann hatte ich das Gefühl, eineN SeelenverwandteN gefunden zu haben. Seit zwanzig Jahren lebe ich vorläufig in dieser Wohnung. Damals haben wir das Bücherregal ins Schlafzimmer gestellt. Am Anfang war ich irritiert darüber, denn dieser Ausweis meiner Persönlichkeit gehörte doch ins Wohnzimmer. Aber ich war ja auch kein ich mehr, sondern ein wir und da macht man eben Kompromisse.
Die Bücherstapel (Plural!) auf meinem Nachtisch sind höher als ein Meter und ziemlich wacklig. Das sind die Bücher, die ich zuletzt gekauft habe, die meisten nur zum Teil gelesen. Auch so eine Unsitte. Früher habe ich Bücher zu Ende gelesen, doch seitdem ich immer öfter das iPad in der Hand habe und kurze Mitteilungen früher auf Twitter, heute Mastodon lese, ist meine Aufmerksamkeitsspanne sehr kurz geworden. Da ich kein Zimmer für mich alleine habe, ist ein weiterer Grund, wieso ich weniger und vor allen Dingen weniger aufmerksam lese. In der gemeinsamen Wohnung ist wenig Ruhe, um mich zu konzentrieren. Nach meinem Geschmack läuft zu oft der Fernseher. Im Sommer, wenn der Balkon mein Zimmer ist, lese ich mehr. Wenn bei schlechtem Wetter nur das Bett als mein Rückzugsort bleibt, lese ich weniger, weil es so naheliegend ist, einfach dabei einzuschlafen.
In den letzten Tagen habe ich viel ausgemistet. Beim Kleiderschrank komme ich nicht so recht weiter. Vor der nächsten Runde des Aussortierens, brauche ich eine Pause. Aber als ich das CD-Regal rausstellen wollte und sich mein Mann partout nicht davon trennen wollte, weil ich es doch für Bücher nutzen könnte, sträubten sich mir die Haare. Lieber trenne ich mich von ein paar Büchern.
Mir gefällt das Konzept der öffentlichen Bücherschränke, denn es fällt mir wahnsinnig schwer, Dinge einfach wegzuwerfen. Mein Ökogewissen macht es mir schwer, weil ich mir immer vorstelle, dass diese Dinge, die man aussortiert hat, einfach verbrannt werden. Aus der Onleihe habe ich mir letzte Woche ein Buch über Ausmisten („Die Wohnungs-Diät“ von Bernd Klapproth und Richard Witthüser) geliehen. Dort fand ich die hilfreiche Aussage, dass Dinge nicht nur einen Anschaffungswert haben, der es uns schwer macht, sich von ihnen zu trennen, sondern uns auch Miete kosten, weil sie Platz in unserer Wohnung einnehmen, den wir bezahlen müssen. Das leuchtet mir ein. Also werde ich weiter ausmisten. Früher bin ich öfter umgezogen. Wenn man ein „Hin zu“ hat, dann fällt das Ausmisten leichter, denn man kann sich immer die Frage stellen, ob man das wirklich in das neue Leben mitnehmen möchte. Ein Umzug ist nicht geplant, aber ein neues Leben wäre schon schön.
Beim Aufräumen habe ich diverse Kisten Belegexemplare meines ersten Buchs gefunden und daraufhin den Mitbewohnern gesagt, dass niemand mehr die Wohnung verlassen darf, ohne ein Buch für einen öffentlichen Bücherschrank mitzunehmen. Jetzt steht eine Kiste neben der Wohnungstür und ich freue mich, dass diese schon halb leer ist. Gleichermaßen bekomme ich Alpträume, wenn ich mir vorstelle, dass mein erstes Buch plötzlich wieder beliebt werden könnte, wenn ich es mit dieser Guerillia-Taktik unter die Leute bringen. Wenn es wieder aufgelegt werden würde, würde ich wieder massenhaft Belegexemplare bekommen. Ein Kreislauf aus der Hölle. Einer Freundin erzählte ich von meiner Ratlosigkeit, was ich mit diesen unzähligen Büchern machen soll. Sie meinte, ich solle sie ins Altpapier werfen. Krasse Idee, aber eigentlich hat sie recht. Wenn ich diese Bücher – zwanzig Jahr alt, sie hatten ihre Zeit – eigentlich niemand, mit dem/der ich jetzt zu tun habe, geben möchte, dann können sie auch weg. Dass ich mal ein erfolgreiches Buch geschrieben habe, ist damit ja nicht negiert. Es ist auch kein schlechtes Buch. Im Gegenteil, als ich es letztens noch mal gelesen habe, fand ich es handwerklich solide gemacht, klug und lustig, aber der Inhalt ist eben zwanzig Jahre alt und passt nicht mehr. Ich habe jetzt erstmal die Hörbücher von denen ich auch unzählige Belegexemplare hatte, weggeworfen, denn einen CD-Spieler hat ohnehin niemand mehr. Von dem nächsten radikalen Schritt, tatsächlich zum Altpapiercontainer zu gehen, bin ich aber nicht mehr weit entfernt.
Nachdem ich also gestern ein Buch durchgelesen habe, habe ich es in die Kiste für die Bücherschränke neben die Wohnungstür gelegt. Im Gespräch mit meiner Freundin sagte ich, dass ich bestimmt keine Bücher mehr lesen will, die von Männer geschrieben sind und über das Leben von Männern erzählen. Aber dann griff ich nach Ego von John von Düffel und weil ich diesen Autor mag, habe ich es dann doch lieber noch mal gelesen, bevor ich es entsorge. Es war ok, aber es kann weg auch wenn es signiert ist. Ich lese mich jetzt mal Abteilung für Abteilung meines Bücherregals durch und habe mir vorgenommen, alles, was mich nicht in den ersten 20 Seiten anspricht, gleich in den Bücherschrank zu bringen bzw. bei Momox zu schauen und dann ab in die Kiste neben der Wohnungstür. Ich fand das sehr weise von der Freundin, dass sie sagte, man könne bei Momox ja sehen, ob das Buch gefragt ist und überhaupt gibt es ja die meisten Bücher in der Bibliothek, so dass man sie noch mal lesen kann, wenn es denn unbedingt sein muss.
So ähnlich stand das auch in dem Aufräumbuch. Die meisten Dinge können wir vermutlich tatsächlich weggeben, ohne dass es schmerzt. Das geht insbesondere dann leicht, wenn wir das Geld haben, sie uns – wenn wir sie denn nach einiger Zeit vermissen und wir sie wirklich dringend wieder brauchen – einfach noch mal kaufen können. Mein kritisches Ich merkt an, dass es dieses Ding vielleicht dann nicht noch mal genau so gibt. Aber im Grunde haben die Autoren recht und wenn man diesen Gedanken konsequent weiter denkt, beruht dieses Festhalten auf einem Gefühl des Mangels. Wenn man Angst hat, Dinge nicht ersetzen zu können, dann muss man sie festhalten. Und dann hält man ganz viele Dinge über lange Zeit fest und merkt gar nicht, wie schwer das ist und wie sie einen in einem alten Leben festhalten, obwohl es vielleicht total super wäre, mal etwas zu verändern.
@meikesblog hmm.
Bei uns steht ein Umzug an. Es gibt einige Bücher, insbesondere Bildbände aus dem Nachlass meines Onkels, verstorben ca 2000 – die habe ich jetzt 25 Jahre nicht angeguckt, die können weg.
Aber die meisten Bücher sind Freunde.
Und natürlich wir das Bücherregal ins Wohnzimmer gestellt. Also die Regalwand. In die "Bibliothek".
🤣
@bleistifterin @meikesblog wenn das für euch so passt, finde ich das nach wie vor prima. Ich würde mich dann bei euch sehr wohl fühlen. Bei uns ist mir seit längerem alles einfach zu viel.
@meikerenschbergner @meikesblog wir werden von 4,60 m Billi mit Aufsatz, großteils doppelt gestapelt (Kinderbücher nicht mitgerechnet) sicher einiges entsorgen und entschlacken. Aber das meiste behalten 😁